Dauerausstellung „NS-Justiz in Stuttgart“

Von | 12. April 2019

Mit der Eröffnung der Dauerausstellung „NS-Justiz in Stuttgart“ im und vor dem Gebäude des Landgerichts Stuttgart Urbanstraße 20 ist endlich eine schmerzliche Lücke in der Erinnerungskultur an die menschenverachtenden Auswüchse der NS-Strafjustiz im Landesteil Württemberg geschlossen worden. Über Jahrzehnte hinweg wurde – von wenigen Ausnahmen abgesehen – über dieses dunkle Kapitel der Mantel des Schweigens gehüllt. Erst auf Grund nachhaltiger und intensiver Bemühungen unserer Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ und speziell unserer Mitglieder Fritz Endemann – ehemaliger Verwaltungsrichter in Stuttgart – und Dr. Alfred Geisel – ehemaliger Landtagsvizepräsident aus Aalen – konnte nach dem Wechsel der Landesregierung im Jahre 2011 die Justizverwaltung des Landes dafür gewonnen werden, nicht nur eine bleibende Erinnerungsstätte an die weit über 100 von der NS-Ideologie geprägten Todesurteile des damaligen Sondergerichts Stuttgart, des Oberlandesgerichtes Stuttgart und verschiedener Schwurgerichte in Württemberg, sondern auch an die insgesamt 423 Opfer zu schaffen, die während der NS-Zeit in einem Lichthof des im September 1944 durch einen Fliegerangriff total zerstörten Justizareals durch das Fallbeil ermordet worden sind.

Die Ausstellung, die vom Haus der Geschichte konzipiert und realisiert worden ist, erinnert nunmehr im Foyer des ersten Obergeschosses des Landgerichtsgebäudes und in dem sich anschließenden Flur vor 4 Sitzungssälen des Gerichts zunächst an die über 70 Juristinnen und Juristen aus Württemberg , die in der NS-Zeit wegen ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer politischen und religiösen Überzeugung entrechtet, verfolgt, ermordet oder zur Emigration aus Deutschland gezwungen worden sind. Im Gang vor den Sitzungssälen wird anhand konkreter Beispiele die Unmenschlichkeit und die Barbarei der NS – Strafjustiz dargestellt. Dieser Teil der Ausstellung dokumentiert nicht nur die verbrecherische Radikalisierung der Strafjustiz im Nationalsozialismus. Sie stellt auch die Biographien der NS- Richter und Staatsanwälte vor, die an den Todesurteilen der erwähnten Gerichte beteiligt waren und die nach 1945 wieder Karriere im Justizdienst des Landes gemacht haben. Die Ausstellung schließt mit einer bitteren Feststellung: Die Unrechtsurteile wurden zwar in einem langen Prozess bis zum Jahre 2009 wieder aufgehoben. Keiner der in das damalige schreiende Unrecht involvierten Richter und Staatsanwälte wurde freilich in der Nachkriegszeit wegen dieser Untaten verurteilt.

Eine besondere Schwierigkeit bereitete bei der Gestaltung der Ausstellung die würdige Erinnerung an die 423 ermordeten Willküropfer. Da der authentische Vollstreckungsort wegen der Kriegszerstörung nicht rekonstruierbar war, wurde nunmehr durch die namentliche Benennung der Opfer auf drei vor dem Eingang zum Gerichtsgebäude errichteten Stelen in würdiger Weise gedacht und so der Nachwelt überliefert.

Die Ausstellung, die allein schon wegen der Besonderheit ihrer Örtlichkeit mitten im Gerichtsbetrieb des juristischen Alltags auch eine bleibende Mahnung und einen Aufruf zur Verteidigung unserer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Ordnung der Gegenwart darstellt, ist während der Dienstzeiten des Gerichts frei zugänglich. Auf entsprechende An- und Absprache sind Gruppenführungen durch das Haus der Geschichte möglich. Ein käuflich zu erwerbender ausführlicher Katalog unterrichtet über die Einzelheiten der Ausstellung und generell über das Thema der Justiz in der Zeit des Nationalsozialismus.