Ausstellung „Angezettelt – Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute“

Die Ausstellung war vom 9. 11. 2018 – 20. 1. 2019 im Aalener Rathaus zu sehen.

Jeder kennt sie und überall kleben sie: auf Straßenschildern, Briefkästen, in S-Bahnhöfen, in Kinderzimmern, auf Liebesbriefen. Klebemarken und -zettel, auch Spuckis genannt, sind seit dem späten 19. Jahrhundert massenhaft verbreitet. Ein kleines Format, das mit großem Eifer im öffentlichen Raum verbreitet, privat gesammelt und getauscht wird. Als kostengünstiges Medium werden Aufkleber bereits früh genutzt, um Weltbilder zu popularisieren und Feindbilder zu propagieren.

Sammelbilder und -alben verbreiten und verfestigen rassistische Vorstellungen von Ungleichheit und Überlegenheit und tragen sie ins private Leben. Unter Antisemiten waren Klebezettel mit judenfeindlichen Bildern und Parolen außerordentlich populär. Doch jüdische Organisationen wehrten sich bald gegen diese Hetze und bekämpften öffentlich die antisemitische Propaganda.

Auch heute werden Sticker zur politischen Agitation genutzt. „Refugees welcome“ oder „Nein zum Heim“-Aufkleber signalisieren Akzeptanz, polarisieren oder schüchtern Menschen ein. Im Kleinformat zeigen sie heute die Beständigkeit des Antisemitismus und kolonialer Traditionen, verschiedene Facetten von Rassismus sowie das Wiedererstarken völkischen Denkens.

Die Ausstellung zeigt Klebezettel, Sammelmarken und -bilder, Briefverschlussmarken und Sticker vom Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus bis zur Gegenwart in ihren jeweiligen Kontexten. Sie erzählt eine Alltagsgeschichte von Judenfeindschaft und Rassismus, aber auch von kreativer Gegenwehr und dem Widerstand gegen diese Vorboten der Gewalt. Sie macht historische Vorbilder aktueller Hassparolen und -bilder sichtbar. Sie will den Blick schärfen für Bilder, Parolen und Symbole und dazu anregen, sich mit tradierten und neuen Erscheinungsformen von Antisemitismus und anderen menschenfeindlichen Ressentiments auseinanderzusetzen.

„Angezettelt“ ist eine Ausstellung des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, des Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg und des NS-Dokumentationszentrums München. Sie war zuvor schon im Deutschen Historischen Museum zu sehen. Die Ausstellung ist zweisprachig (Deutsch und Englisch).

 

Begleitveranstaltungen:

19. 11. 2018, VHS Aalen

Prof. Dr. Wolfgang Benz (Berlin):

Antisemitismus in Deutschland – gestern und heute

Ein unterschwellig immer vorhandenes Phänomen erlebt derzeit wieder öffentliche Aufmerksamkeit: der Antisemitismus. Wer geglaubt hat, dass Judenhass in der deutschen Gesellschaft verschwunden oder gar überwunden sei, wurde in der jüngeren Zeit eines Besseren belehrt. Antisemitische Aktionen in Wort, Schrift und Tat, gefährden die Demokratie. Es ist notwendig, aufzuklären und zu analysieren, welche Mechanismen den Hass auf Juden prägen und wie Vorurteile auch gegen andere Minderheiten wirksam sind.

Diesen Fragen geht mit Prof. Dr. Wolfgang Benz, Verfasser von Standardwerken zum Nationalsozialismus, zum Widerstand und zur deutschen Nachkriegszeit, einer der besten Kenner des alten und des neuen Antisemitismus nach. In seinen zahlreichen Arbeiten hat Wolfgang Benz, von 1990 bis 2011 Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, Ursachen, Funktionen und Wirkungen des Antisemitismus in seiner historischen Dimension ergründet: „Judenfeindschaft gilt als das älteste soziale, kulturelle, religiöse und politische Vorurteil der Menschheit“.

 


 

19. 12. 2018, VHS Aalen

Dr. Marcus Funck (Berlin):

Die „Neue Rechte“ und die Juden
Antisemitismus, Pro‐Israelismus, Erinnerungspolitik: Kontroversen und Widersprüche

Mit der AfD ist eine in Teilen völkisch ausgerichtete rechte Partei in die Parlamente eingezogen. Ihr völkisch‐rechtsradikaler Flügel ist eng mit der ‚Neuen Rechten‘ verwoben. Deren Verhältnis zu Juden in Deutschland und Israel ist höchst widersprüchlich. Sie nimmt für sich in Anspruch, antisemitischen und rassistischen Ideologemen abgeschworen zu haben. Zwar erkennt sie die gleichberechtigte Vielfalt von Völkern und Nationen, allerdings konstatiert sie zugleich deren prinzipielle Unvereinbarkeit. Folglich fordert sie „Entmischung“ und scharfe Abgrenzung entlang ethnischer und nationaler Linien. Weiterhin stellt sie den Grundkonsens der bundesrepublikanischen Vergangenheitspolitik zum Gedenken und Umgang mit Nationalsozialismus und Holocaust prinzipiell in Frage. Und schließlich zeigt sie ein zutiefst ambivalentes Verhältnis zu Israel als jüdischem Staat auf. Wie lassen sich also diese Orientierungen der ‚Neuen Rechten‘ einordnen? In welchem Verhältnis stehen sie zu klassischen antisemitischen Positionen der radikalen Rechten?

Und was bedeutet dies für in Deutschland lebende Juden?

Dr. Marcus Funck, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Studiengangsleiter am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, hat sich intensiv mit dem Entstehen der „Neuen Rechten“ und ihren Beziehungen zur AfD befasst.

 


 

14. 1. 2019, VHS Aalen

Helmut Kellershohn:

Extremismus der Mitte
Aktuelle Wanderungsbewegungen rechter Ideologeme in die Mitte der Gesellschaft

Seit längerem schon lässt sich beobachten, wie in der Öffentlichkeit nationalistisches, autoritäres und rassistisches Gedankengut und entsprechende Begrifflichkeiten wieder sagbar werden, im Alltag wie auch auf der großen politischen Bühne. Das Markenzeichen des Rechtspopulismus ist ein Kulturkampf, der sich auf den vermeintlichen Volkswillen beruft, um sich als Alternative gegen eine pauschal als dekadent diffamierte Elite und eine angeblich linksliberal dominierte öffentliche Meinung in Stellung zu bringen.

Rechtspopulisten machen hier Gegenangebote, indem sie völkische und restaurative politische Lösungen propagieren und bestehende Abstiegsängste auf „Überfremdung“ und „Bevölkerungsaustausch“ zurückführen. Das Volk im ethnischen Sinne soll wieder im Mittelpunkt
stehen, die Identifikation mit der Nation zum obersten Wert werden. Die Zeit soll zurückgedreht werden, damit alles wieder „gut“ wird. Sozialpolitische Fragen, die in Wirklichkeit etwas mit der sozialen Unsicherheit im real existierenden Kapitalismus zu tun haben, werden so zu kulturellen umgedeutet.

Der Historiker und Rechtsextremismusforscher Helmut Kellershohn ist Gründungs‐ und Vorstandsmitglied des Duisburger Instituts für Sprach‐ und Sozialforschung (DISS).